Ich lese es in der Zeitung
Ich höre es im Radio
„Der Himmel ist dreckig”¹
„Mein Gott, das Licht”²
Ich denke daran
Ich träume davon
Wache auf
Schweißgebadet
Ohne zu verstehen
Wovon ich lese, höre, träume
Wie laut es sein muss
„Mordor existiert, und ich war dort”³
Es ist überall, ich möchte mir die Ohren zuhalten
Die Augen schließen
Und so tun als wäre nichts
Sagen wir, das ist nicht passiert
Tunnel, Drohnen, Trümmer
Ich sehe graue Pilze
Grauen Staub auf deinem Gesicht
Ich sehe, wie du gehst
Eine verschüttete Straße entlang
An Ruinen vorbei
Die dein Zuhause waren
Vielleicht fällt
Die wärmende Sonne
Durch eine der klaffenden Wunden
Scheint dir auf die Wange
Und du blickst hinauf
Blinzelst ins Licht
Und spürst nichts
Während ich der Sonne zulächle
Und mein Schritt beschwingter geht
Haben wir es dir genommen
Zu spüren
Zu fühlen
Zu lächeln
Vielleicht musstest du
Zusehen, ohne helfen zu können
Unsichtbar werden, bis es vorbei ist
Vielleicht haben wir dir genommen
Was uns zu Menschen macht
Und dir eine Waffe in die Hand gedrückt
Vielleicht haben wir dich zum Biest gemacht
Aus der Ferne
Per Knopfdruck
Das geht ganz schnell
Kämpfe, Terror, Beschuss
Ich falte die Zeitung zusammen
Ich drehe den Radio ab
Und bleibe stehen
Drehe mein Gesicht zur Sonne
Schließe die Augen
Und wische die Bilder weg
Das Rot hinter meinen Augen
Löscht es alles aus
Sagen wir, das ist nicht passiert
¹Überschrift eines Artikels von Die Zeit, Olivia Kortas, 03.02.25: https://www.zeit.de/2025/05/drohnenpiloten-ukraine-krieg-russland-sprengstoff
²Teil einer Überschrift eines Artikels von Der Standard, Red, 12.12.24: https://www.derstandard.at/story/3000000249001/mein-gott-das-licht-cnn-bericht-ueber-syrischen-gefangenen-sorgt-fuer-aufsehen
³Teil einer Überschrift eines Artikels von Der Standard, Stefan Schocher, 14.01.25: https://www.derstandard.at/story/3000000252619/freigelassener-ukrainischer-soldat-mordor-existiert-und-ich-war-dort