lies mich logo zu den Kurzgeschichten und Gedichten

Ich bin verkühlt

Selbst große Dichter werden klein
Wenn ihnen die Nase rinnt

Sie setzen sich an ihren Tisch
Zücken ihren Füller
Und oh
Legen ihn wieder hin
Ein großer Nieser schüttelt sie
Der Kälteschauer
Die Gänsehaut
Breiten sich über ihren Körper aus

Die Dichter ziehen ihre Weste enger um sich
Vielleicht stehen sie auf und holen sich eine Decke
Legen sie über ihre Schultern
Oder über die Knie

Dann wird die Feder wieder gezückt
Ein paar Zeilen
Denn man hatte doch eben Inspiration
Dann plop
Ein Tropfen aus der Nase fällt aufs Blatt
Die Nässe frisst sich ins Papier
Die Dichter greifen zu ihrem Taschentuch
Schnell trocknen sie Papier
Dann Nase
Prioritäten gibt es noch

Es wird am heißen Tee genippt
Wohltuend im vom Husten geschundenen Hals
Zurück zum Füller
Wo war man doch gerade noch?
Sie lesen ihre Worte
Die über dem nassen Fleck am Papier stehen
Und erinnern sich nicht daran
Was sie daraus machen wollten
Wohin die Worte führen sollten

Sie stützen ihren Kopf mit ihren kalten Händen am Tisch ab
Ein Nebel schwadert in den Köpfen der Dichter
Die klare Schärfe
Mit der sie sonst die Sprache tranchieren
Sie ist nicht auffindbar
Blockiert von verstopften Nasennebenhöhlen

Sie schauen aus dem Fenster
Die Dichter
Sie denken an ihr Bett
Warme Decken
Und ein Kissen um ihren schweren Kopf auszuruhen
Der Funke ist weg
Nichts glüht außer ihr Kopf

Der Füller wird beiseite gelegt
Die Nase geschnäuzt
Der Tee genippt
Und man fragt sich wie ein klitzekleiner Virus
All die großen Dichter
Lahmgelegt hat
Außer Gefecht gesetzt
Während sich die Dichter mit einem Seufzen
Ins Bett legen
Zudecken
Und von der einstigen Klarheit ihrer Gedanken träumen

Ja selbst große Dichter werden klein
Wenn ihnen die Nase rinnt